Wenn Sie aufgepasst haben, habe ich am Anfang des Interviews den 27. April erwähnt, auf den mein Geburtstag fällt. Am 27. April 1986 kam ich ins Institut, wo ich bei der Abteilung für Requisition eingestellt war. Ich war gut gelaunt, weil ich an dem Tag 23 wurde. Ich spürte geistigen Schwung, Glück und Vorfreude auf ein gutes und glückliches Leben. Auf dem Arbeitsplatz gratulierte man mir zum Geburtstag, und als sich der Arbeitstag seinem Ende näherte, fingen die Informationen an zu kursieren, im Kernkraftwerk Tschernobyl sei ein Reaktorblock explodiert. […] Ich legte damals auf diese Informationen keinen großen Wert. Ich war wegen des Geburtstages gut gestimmt. Wer weiß, was da explodiert sein sollte. Es wurde gesagt, es sei dort eine Havarie passiert. Aber was für eine Havarie, ob die schwer war oder nicht ? Davon musste niemand etwas. Vielleicht war das etwas Leichtes, etwas, was sich leicht wiederaufbauen ließ…

Im November 1985, ein halbes Jahr vor der Katastrophe, inspizierte er [N.N. Wlassow] als Angehöriger einer zuständigen Kommission den Ort. Die Inspektion ergab keine schwerwiegenden Mängel. Auch früher war er dorthin gegangen, aber damals hatte er Warnsysteme und Schutzanlagen inspiziert. Es durfte niemand ins Allerheiligste des Atomkraftwerkes Tschernobyl. Von einer ernsten Inspektion konnte nicht einmal die Rede sein, denn alle Unterlagen zu Atomkraftwerken wurden in Moskau, wo Zulassungen zu Regimeobjekten, zu deren Zahl auch Atomkraftwerke gehörten, erteilt wurden, hinter Schloss und Riegel aufbewahrt.

Die Verwahrlosung war das, was vor allem beeindruckte. Und die Verödung. Wenn wir an naheliegenden Dörfern vorbeifuhren, sahen wir die allgemeine Verödung, mit Unkraut bewachsene Einfamilienhäuser, alles verwildert. Das alles hinterließ am Anfang einen etwas herzbeklemmenden Nachgeschmack.