Delegation aus der Ukraine zu Gast im Kompetenzzentrum Blista in Marburg
Fünf ukrainische NRO-Vertreter sind in dieser Woche auf Einladung des IBB Dortmund in Marburg unterwegs: Im Mittelpunkt der Studienreise steht die Frage, mit welchen Ideen und selbst entwickelten Angeboten die Inklusion von sehbehinderten und blinden Menschen in Marburg besonders gut gelingt. Wichtigstes Ziel der Delegation ist das Kompetenzzentrum Blista, das sich bundesweit u.a. durch speziell auf die Bedürfnisse von sehbehinderten und blinden Menschen abgestimmte Lernangebote einen Namen gemacht hat.
Marburg fiel der Delegation schon gleich nach der Ankunft am heutigen Montag, 11. September 2017, sehr positiv auf: Treppenlifte an öffentlichen Plätzen sind mit einem Hinweis in Brailleschrift versehen. Der Lage-Plan für das Blista-Zentrum erleichtert mit tastbaren Informationen auch Blinden die Orientierung. Und die frühgotische Marburger Elisabethkirche lädt mit einem Miniaturmodell und Blindenschrift zum tastenden Entdecken des mehr als acht Jahrhunderte alten Denkmals ein.
„Marburg ist eine unglaubliche Stadt“, zeigte sich Ljubov Negatina, Leiterin der Geschichtswerkstatt Tschernobyl in Charkiw, vom ersten Moment an begeistert. Sie führt die Delegation an, die nachahmenswerte Anregungen für die eigene Arbeit in der Ukraine sucht. „Ich habe noch nie so viele Menschen mit einem weißen Stock an einem Ort gesehen“, sagte Serhij Prokopenko, Initiator mehrerer inklusiver Medienprojekte in seiner Heimatstadt Charkiw.
Gemeinsam mit Valentina Butenko, Leiterin des Rehazentrums „Recht auf Wahl“, Andreiy Butenko, Direktor des sozialen Unternehmens „Sozintel“ in Charkiw, und Wolodymyr Noskov, Mitglied des ukrainischen Journalistenverbandes und Mitarbeiter von “Radio Liberty“ ist er gespannt auf Anregungen für neue Informations- und Lernmaterialien. Denn die Studienreise ist Teil eines vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts des IBB Dortmund zur Verbesserung der Bildungschancen von jungen Menschen mit Sehbehinderung in der Ukraine. „Wir sind überzeugt, dass unsere ukrainischen Partner durch die Fortbildungstage in Marburg wichtige Impulse erhalten, um das Konzept für ihr eigenes Charkiwer Medienzentrum zur Begleitung von sehbehinderten Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden in Übereinstimmung mit den Anforderungen der UN-Behindertenkonvention weiterzuentwickeln“, sagt Dr. Astrid Sahm, Geschäftsführerin des IBB Dortmund. „Denn eine vergleichbare Einrichtung gibt es in der Ukraine bisher nicht.“
Bis Freitag werden die Gäste den Mathematik-, Physik- und Sportunterricht des Blista-Gymnasiums beobachten, das Blista-Medienzentrum und das Reha-Beratungszentrum besuchen und die Angebote der Deutschen Blinden-Bibliothek kennenlernen.
Wie unterscheidet sich der Pinselstrich von van Gogh und Monet? In welchem Winkel schneiden sich zwei Geraden? Das einzige grundständige Gymnasium für Blinde im deutschsprachigen Raum greift immer wieder auf einen großen Fundus an taktilen Medien zurück, um Kunst ebenso zu vermitteln wie Geometrie, Chemie und Biologie. Direktor Claus Duncker und Timo Wennez, Leiter des Blista-Medienzentrums, berichten auch über den wissenschaftlichen Hintergrund ihrer Arbeit und die eigenen Erfahrungen in der Anwendung von 3-D-Druckern oder selbst entwickelten Lernmaterialien, die teilweise von Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet werden. Zwei Stadtführungen durch die Blindenstadt Marburg und eine Diskussion mit Vertretern des Vereins der Blindenschule in Tiflis runden das Exkursionsprogramm ab.