Umsiedler

Umsiedler

Nach der Reaktorexplosion im AKW Tschernobyl mussten 1986 etwa über 115.000 Menschen ihren Wohnort verlassen. Die Einwohner der in unmittelbarer Nähe des AKW gelegenen Stadt Pripjat wurden bereits am 27. April 1986 evakuiert. Als sie ihre Häuser verließen, gingen sie davon aus, wieder in wenigen Tagen nach Hause zu kommen, und ahnten nicht, dass es ein Abschied für immer war.

Nachdem die sowjetische Führung nach dreijähriger Geheimhaltungspolitik 1989 eingestehen musste, dass es ihr nicht gelungen war, die radioaktive Strahlung in zahlreichen außerhalb der 30-km-Sperrzone gelegenen Orten auf ein unterhalb der Grenzwerte liegendes Maß zu reduzieren, wurden weitere Umsiedlungen beschlossen. Insgesamt verloren infolge der Tschernobyl-Katastrophe über 350.000 Menschen ihre Heimat.

Vor allem alten Menschen aus ländlichen Gebieten, die ihr Dorf zuvor fast nie verlassen hatten, fiel es schwer sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Viele von ihnen starben vorzeitig. Aber auch die jüngeren Umsiedler hatten mit zahlreichen Integrationsschwierigkeiten zu kämpfen, da ihre neuen Nachbarn beispielsweise Radioaktivität für ansteckend hielten oder es an Arbeit, Kindergartenplätzen etc. fehlte.

30 Jahre später ist es vielen von ihnen gelungen, sich ein neues Leben aufzubauen – obwohl der Schmerz über den Verlust der Heimat auch bei ihnen tief sitzt. Ein Beispiel hierfür ist der Ort Wiltscha im Gebiet Charkiw, dessen Bewohner seinerzeit weitgehend kompakt aus der Tschernobyl-Zone umgesiedelt wurden. Doch einmal im Jahr, zum Totengedenktag „Raduniza“, suchen sie die Gräber ihrer Vorfahren am alten Wohnort auf. Da sie wissen, wie schwer ein absoluter Neuanfang nach einer Katastrophe ist, engagieren sich die Bewohner von Wiltscha heute zudem ebenso wie Tschernobyl-Betroffene an anderen Orten aktiv in der Hilfe für Binnenflüchtlinge aus den Gebieten Donezk und Luhansk. Hinzu kommt, dass unter den Binnenflüchtlingen sich auch zahlreiche Tschernobyl-Betroffene befinden. Allein im Gebiet Charkiw suchten über 2.000 Tschernobyl-Betroffene mit anerkannter Behinderung aus den Gebieten Donezk und Luhansk in 2014 und 2015 Zuflucht. Viele von ihnen verloren zum zweiten Mal nach der Tschernobyl-Katastrophe ihrer Heimat.

Geschichten von Tschernobyl-Betroffenen: