Tschernobyl Archiv

Tschernobyl Archiv

Die Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 war ein Schock für die gesamte Bevölkerung Europa. Nicht so bekannt wie die zerstörte Reaktor Fotos das Schicksal der Menschen bleiben, die bis heute die Folgen der Katastrophe leiden. Daher Tschernobyl historische Workshop richtet sich an die Sammlung und die Geschichte des Lebens der Liquidatoren der Tschernobyl-Katastrophe und die Opfer der Katastrophe zu bewahren, um sie für Bildungs- und Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen. ein Archiv von Erinnerungen Liquidatoren Erstellen und durch den Reaktorunfall betroffen ermöglicht die Vielfalt der Ansichten über die Ursachen und Folgen der Tschernobyl-Katastrophe zu zeigen. Darüber hinaus ist es sehr wichtig, die Tschernobyl-Erfahrung zu nutzen, um die aktuellen Probleme der Gesellschaft zu überwinden, sowie die Möglichkeit, seinen Antrag auf Genehmigung der zukünftigen Herausforderungen zu schaffen, um die Lehren aus der Geschichte gelernt zu fördern. Dies gilt für die aktuelle Situation der Migranten aus der Krim, Donezk und Lugansk Regionen sowie der Energiepolitik, sowie viele anderen Problemen der Gegenwart.

Erstellen eines Archivs von mündlichen Geschichten von Liquidatoren und Opfer des Tschernobyl-Unfalls wurde möglich dank gemacht Zusammenarbeit der Tschernobyl historischen Workshop mit dem ukrainischen Association of Oral History zu schließen. Bis heute hat das Archiv zur Verfügung eines mündlichen-Geschichte Interview mit den Liquidatoren und Personen, die in Charkow leben, Dnepropetrovsk, Kiew, Tschernigow, Lugansk und andere Regionen der Ukraine. Archivmaterialien sind derzeit nur in russischer und ukrainischer Sprache abgefasst, wird Schritt für Schritt in andere Sprachen übersetzt werden.

Team Chernobyl historische Werkstatt weiterhin das Archiv füllen und interessiert sich für die geographische Basis der Befragten erweitert, und bittet die Öffentlichkeit, Wissenschaft und Bildungseinrichtungen in dieser wichtigen Arbeit zu sammeln mündlichen Geschichten von Tschernobyl zur Zusammenarbeit bei der Erhaltung der Erinnerung an diese schreckliche Tragödie für die gesamte Menschheit zu unterstützen.

Tatjana

Nikolajewna

Iwanowa

Was ist dieser rote Wald? Warum ist er rot? Ist er verbrannt? Warum steht er? Er muss doch hinfallen. […] Ich sah den roten Wald. “Rot” – das ist nicht ganz richtig, eher terrakottafarben, so war die Farbe, ganz stark, und so standen die Kiefern. Also wissen Sie, die radioaktive Strahlung war einfach wie ein Taifun. Ich kann nicht behaupten, dass die Bäume verbrannten, nein, sie wurde einfachen farblos.

Anatolij

Wiktorowitsch

Rutschiza

Menschenleere Orte, Haustiere wanderten durch die Straßen. Die Mehrheit von Bewohnern war schon evakuiert worden. Durch Felder wandert das Vieh durch. Bei der Anfahrt ins Dorf – Ditjatki hieß es vielleicht – waren Desinfektionsstationen zu sehen. Die Menschen in der Uniform begossen die Räder mit dem Desinfektionsmittel. Wir schauten diesen Ausblick an und bemerkten, dass wir nicht einmal über die Maske verfügten.

Aleksandr

Nikolajewitsch

Lykow

Es war wie bei einer normalen Arbeit. Wir kamen jeden Tag zu unserem Arbeitsplatz und erfüllten Aufgaben, die uns zugewiesen wurden. Erst später, als viele von uns in Krankenhäusern landeten, begriffen wir, wo wir eigentlich gewesen waren und was uns danach passierte. Aber damals legten wir darauf keinen großen Wert. Ich versuchte sogar, meinem Sohn die gezuckerte Kondensmilch aus diesem Ort zu schicken.

Valerii

Petrowitsch

Derkach

Die Einheit befasste sich mit den Reparaturen der Technik, die man außerhalb der Grenzen der 30-Kilometer-Zone entweder aus technischen Gründen, oder wegen der Kontamination nicht bringen durfte. So musste man sogar Hinterachsen, Motoren, Schaltgetriebe dort ersetzen, wo das Fahrzeug stand. Im Staub, im Schmutz, beim Schnee, ohne Kraftheber, ohne Grube, ohne Aufzugwinden.

Nikolaj

Wladimirowitsch

Wassiljew

Das ist mein blutiger Ernst, denn Radionuklide lassen sich mit Hilfe alkoholhaltiger Getränke aus dem Körper gut ausscheiden. Der Alkohol macht den Körper davon frei. Deshalb gaben uns die Jungs die nötigen Adressen. Wir gingen über den Fluss (es gab in der Gegend einen engen und reinen Fluss, der aber sehr kalt war) nach Orane, wo Bauern wohnten, die uns mit Samogon versorgten.

Pawel

Michailowitsch

Pokrassjon

Diejenigen, die wir aus der Sperrzone evakuierten, waren ein paar Tage später wieder da. Ich stellte ihnen eine Frage, ich sagte: „Ihr guten Leute, wie schafft ihr es? Es ist doch nicht so einfach, sich trotz des ganzen Stacheldrahtes, durch all die Posten den Weg nach Hause zu bahnen!“ Da antworte mir ein Mütterchen: „Weißt du, Kind, ich war zu Zeiten des Krieges noch jung und holte den Partisanen das Essen. Von denen bekam ich Flugblätter, die ich verteilen sollte. Und die Nazideutschen… die schossen auf mich! Und ihr schießt nichtauf mich. Ich kenne hier jeden Pfad, jeden Stumpfen kenn ich hier. Das ist für mich ein Kinderspiel!“

Witalij

Federowitsch

Balakirew

Alles war sehr gut organisiert, man hat wirklich nicht gegeizt. Blei, Hubschrauber, ein vorfristiges Abnehmen der Motoren – bitte schön. Es hat alles gegeben, man konnte es sich leisten, verstehen Sie? Das heißt ja, der Krieg war mit Verlusten, so wie es sein sollte.

Aleksandr

Wiktorowitsch

Naumov

Ich sage: „Herr Doktor, da ist einer ohnmächtig geworden, ist hingefallen und sich den Kinn aufgerissen“. Er nahm ein Stück Pflaster: „Es reicht, es wird bald vernarben“. Wir fuhren weiter, wurden in Kiew wiederum gestoppt, in die Poliklinik des Innenministeriums geschickt. Da steht ein Dosimetrist im Kittel des chemischen Schutzes, mit einer Gasmaske und sagt: „Alles ist gut, zieht euch aus“. Wie kann das sein, „alles ist gut, zieht euch aus“?

Tetjana

Petriwna

Majorenko

Man konnte Kinder nicht erklären, warum man nicht auf die Straße hinausgehen durfte. Wir haben ihnen gesagt, dass es draußen Strahlung gibt, aber sie haben durch die Fenster geschaut und gesagt: «Es gibt dort keine Strahlung! Dort scheint die Sonne genauso wie immer, das Gras ist ganz normal, alles ist gut». Und das erste Wort der neugeborenen Kinder war nicht mehr „Mama“. Überall hörte man viel öfter das Wort „Strahlung“. Strahlung war unser Feind, den wir nicht sehen konnten

Wlad

Modshached (Pseudonym)

Die Menschen haben Tschernobyl schon verloren, es gibt kein Tschernobyl für sie, die Katastrophe gibt es nur für diejenigen, die damit direkt verbunden waren oder für Menschen, die mit Tschernobyl zusammengebracht wurden. Und das war`s, die übrige Gesellschaft hat keine Angst mehr vor etwas…

Wolodymyr

Wolkow

Einmal ist ein Arzt gekommen und hat uns gesagt: „Jungs, wisst ihr was? Schluss mit der Langeweile, geht in die Disco! Ihr sollt Spaß haben!" So sind wir Dummköpfe echt in die Disco gegangen. Und da war ein Idiot, der gerufen hat: „Liebe Genossen, die Todeskandidaten sind angekommen.“ Alle sind davon gelaufen und wir sind alleine zurückgeblieben. So sind wir damals in die Disko gegangen. Sie befürchteten, dass wir sie durch die radioaktive Strahlung anstecken.

Sergej

Michailowitsch

Zhygulskich

Stellen Sie sich vor: der Sohn kommt zu seiner Mama, zu seinem Papa und kann das Grab nicht finden. Das ganze Dorf konnte abgerissen werden, aber nicht der Friedhof. Auf dem Friedhof war der Boden kontaminiert und wurde dann erneuert. Also haben wir unwillkürlich das Gelände verändert, die Bäume ausgepflanzt. Und der Mensch kommt, er scheint den Ort zu kennen, kann aber dort das Grab, also seine Mama und seinen Papa, nicht finden.

Mykola

Fedotowitsch

Bossyj

Jahr 1986. Im Regiment für Zivilschutz fand die feierliche Abendmusterung statt, so was hatte man dort. Man hat die feierliche Abendmusterung durchgeführt, die Hymne der Sowjetunion gesungen und ist nach Hause gegangen. Gegen 3 Uhr bekam ich die Verordnung, in das Regiment alarmmäßig zu kommen. Nachdem mein Trupp in das Regiment angekommen war, schlossen wir der Kolonne an, die sich nach Tschernobyl begeben musste.

Valentin

Olexandrowitsch

Kramarewskij

Diese Menschen haben die Ukraine gerettet. Sie haben es ermöglicht, dass die Ukraine heute ein unabhängiger Staat ist. Hätten sie das nicht gemacht, würde die Ukraine heute nicht existieren. Es gäbe eure Mütter und eure Väter sowie euch nicht. Erinnert euch daran. Mindestens verdienen es diese Menschen, dass ein Denkmal zu ihren Ehren zu Lebzeiten errichtet wird. Und Europa sollte für sie ein goldenes Denkmal errichten, denn sie haben es gerettet. Zweitens sage ich: „Erinnert euch an die Tschernobyl-Katastrophe. Ihr müsst euch darum bemühen, dass es eine solche Havarie nicht wiederholt werden darf.

Nadezhda

Aleksandrowna

Butenko, Umsiedlerin

Später fuhren wir nach Prypjat, um irgendwelche Sachen zu holen. Man geht da allein entlang, und man hört einen Widerhall in der ganzen Stadt, das macht Angst. Ich wollte erst zu Fuß gehen, dann habe ich es mir anders überlegt, nein, dachte ich, und bin zurückgekehrt. Da war schon alles zugewachsen, das Gras war sehr hoch. Schließlich kamen wir an, jemand fuhr mich dorthin, und als ich zum Hauseingang gelangte, war er verschlagen, ich muss die erste gewesen sein. Als ich die Treppe hinaufstieg, lag ein Hund zwischen dem 2. und dem 3. Stock, er war aber noch am Leben. Verstehen Sie, es wurde mir so unbehaglich, Gott bewahre, dass der Wagen mich vergisst.

Natalja

Iwanowna

Tereshschenko, Liquidatorin

Da gucken wir und sehen, da kommt eine Henne, so eine Glucke, die hat Küken ausgebrütet. Und da laufen wir, einige haben eine Atemschutzmaske, einige haben keine. Da laufen wir, und das Gras ist grün, und der Himmel ist so blau, die Sonne scheint. Und da sage ich: „Gütiger Himmel, das Leben geht weiter!“ Hier ist die Glucke, hier sind diese gelben Knäulchen (Küken). Na also, ich spürte so eine Begeisterung, weil ich dieses Leben gesehen habe. Und da laufen wir am nächsten Tag, die Glucke läuft, und der ganze Weg ist mit gelben Leichen bedeckt…

Viktor

Grigoryevich

Bystrichenko

Wir sind stehen geblieben, um die Strahlung zu messen. Und die Kinderschaukeln haben so geknirscht, in der Stille war ein Knirschen zu hören… Ich drehte mich um und sah die Kinderschaukeln schwingen, aber es gab keine Kinder, der Kinderspielplatz war leer … Wir haben uns daran gewöhnt, dass auf Spielplätzen Kinder klettern, schreien, quarren, ihre Mütter sie beruhigen. Hier aber war es still, ein Karussell hat sich gewogen, Schaukeln schwangen und dieses Knirschen…

Tatjana

Romanivna

Sementschuk

Also habe ich mir eine Erkältungserkrankung zugezogen. Eine Ärztin ist hergelaufen und sagt: „Für wen brauchst du die Arzneien?“. Sie sagt: „Für Tanja“. – „Sie ist doch schwanger“. Und da entstand so ein Gelärm! Alle haben angefangen, Mutti zu beschimpfen, weil sie sagen: „Woran denken Sie eigentlich? Alle Schwangeren sind abtransportiert und abortiert, und Sie beabsichtigen, sie mit Arzneien zu behandeln?“

Mykola

Mychajlowytsch

Fesenko

Zu viert spielten wir Domino. Ich sah meinen Nachbarn an, seine Gesichtsfarbe veränderte sich: Sie wurde mal gelb, mal grün. Dann sprang er auf und begann zu kotzen. Vielleicht hatte er eine zu hohe Strahlendosis empfangen. Was sollte ich tun? Der Verstrahlte fühlte sich immer schlechter...

Marija

Petrowna

Iwanowa

Jeden Morgen kochten wir für die Jungs, die im Atomkraftwerk arbeiteten. Insgesamt waren es etwa anderthalb Tausend Menschen. Die Öfen, ich meine die Kochplatten, hielten das alles nicht aus, denn man musste zu viel kochen, um sie alle satt zu bekommen. In der Anfangszeit arbeiteten wir täglich 22 Stunden und konnten in so ein Gleis nicht kommen, weil es zu schwer war …

Aleksandr

Georgiewitsch

Garmanow

Ein Blütenblatt ist so ein Mullverband. Man bindet es am Hinterkopf fest. Im Großen und Ganzen hatten wir sonst keinen weiteren Schutz. Nur diesen Mullverband. Wozu? Damit man zumindest diesen Staub nicht einatmet, der kontaminiert war. Den radioaktiven Staub, also.

Wladimir

Nikolajewitsch

Liwyj

Ein Bild von einer vom Leben geprägten Stadt: Die Bäume sind grün, das Gras, die Vorhänge fächeln in einem offenen Fenster, die Wäsche wurde zum Trocknen aufgehängt, die Spielhöschen also, die Blumen stehen in den Blumentöpfen, die sind nicht verwelkt, da dörrt der Fisch. Ich hatte damals eine starke Assoziation mit einem Film von Bergman, wo der Held durch eine vom Leben geprägte, aber vollkommen leere Stadt läuft. Und man spürt Unbehagen wegen dieser Menschenleere, es wird einem nicht geheuer zumute...

Nikolaj

Viktorowitsch

Bondar

Also, Jungs, die Situation ist so: es gilt möglichst schnell das Wasser aus dem Reaktor herauszupumpen. Denn wenn dieser glühend heiße Reaktor ins Wasser fällt, wird er abrupt überkühlt und es gibt eine Explosion, die einer Wasserstoffbombe gleichkommt. […] Eure Aufgabe ist es, dieses Wasser herauszupumpen, damit der Reaktor, auch wenn er dorthin, in dieses Becken, absinkt, zumindest kein Wasser abbekommt, dann wird nichts Ernsteres, Gravierenderes passieren. Also, ja, die Tragödie ist schon da, aber wir werden keinen Milliarden- und Millionen-Schaden bekommen.

Anatolij

Aleksandrowitsch

Gubarew

Also Dir ist klar, im Hof hängt noch eine Leine, darauf hängt was, und da ist Dir klar, dass hier noch vor wenigen Tagen Menschen lebten. Und jetzt wird alles abgetragen, sie tun alles in Gräben, dann werden auch diese Gräben von Kränen dem Erdboden gleichgemacht. Dabei haben wir kurz davor, na buchstäblich noch vor einer Woche versucht die radioaktive Strahlung von diesen Häusern wegzuwaschen.

Ljudmila

Michailowna

Gorschenina, Liquidatorin

Die Tragödie habe ich gleich gespürt. Als man uns sagte, dass die Menschen von dort weggebracht werden, das ist natürlich eine Tragödie. Eine Tragödie ist bereits, dass die Menschen alles verloren haben. Alles auf einmal. Und dann wurde dieses Gefühl mit jedem Tag einfach stärker: Als wir durch diese leeren Straßen fuhren, und diese verschlagenen Häuser sahen. Da habe ich mich auch mit meinen eigenen Augen vergewissert. Und ich habe versucht, mir selbst vorzustellen, wie das wäre: Da haben wir alles, und dann plötzlich haben wir nichts mehr.

Ljudmila

Nikolajewna

Basiewa, Umsiedlerin

Die Leute sagen: „Bleib in Tschernobyl, da ist deine Wohnung, da ist dein Haus“. Ich habe aber Angst, warum spüre ich so ein Unbehagen, warum? Es gibt keinen Ort, wo man essen könnte, es war im September sechsundachtzig, so war das. Es gibt keinen Ort, wo man essen könnte, alle Läden sind aus der Stadt gebracht worden, niemand wird mir Lebensmittelmarken geben, denn ich bin ja nicht so eine...

Oleg

Anatoljevich

Veklenko

Was soll man da am Kraftwerk fotografieren? Da gibt es nichts Interessantes, da wird mit der Schaufel gegraben, jemand schleppt etwas, jemand wäscht Wagen mit Waschpulver. Und da zeichnet ein Maler! Dieser Reporter hat es fotografiert und an die Redaktion gesandt, man hat es in der „Prawda“ veröffentlicht. Und dann haben alle meine Verwandten es gesehen. Mist! Aus der ganzen Sowjetunion schickte man Briefe nach Tschernobyl an den Maler.

Wadym

Walentynovytsch

Aleksejev

Na, sagen wir… Die Japaner scheinen so verdammt intelligent zu sein. Doch auch bei denen gab es eine Explosionen ineinem Atomkraftwerk. So eine Überraschung! Bei uns… na ja… „Wanja, Petja, los!“ – und auf geht’s mit Lied. Aber bei den Japanern geht so was, soviel ich weiß, überhaupt nicht. Und doch auch bei denen explodierte das Atomkraftwerk. Nun ist das Wasser aus dem Reaktor ins Meer geflossen. Da kann man doch den Laden zumachen! So clever die [Japaner] auch sind, reichte ihre Intelligenz dafür aber nicht aus, die Sache zum Stocken zu bringen. Weil das die Kettenreaktion ist: Versuch mal ihr Einhalt zu gebieten.

Vladimir

Alekseevich

Altuhov

Verstehen Sie, der Eindruck ist nicht wirklich ungeheuerlich, aber sehr unangenehm und befremdlich. Wenn man in Prypjat einfährt, sieht man keinen einzigen Menschen da. Aber dann guckt man auf die Häuser: Da hängt die Wäsche bei jemandem. Natürlich, jetzt ist sie nicht da, sie ist wohl längst verfault. Da ist ein Klappenfenster offen, da stehen Blumen auf dem Fensterbrett etc., doch es gibt keinen einzigen Menschen. Es sieht aus, als ob Menschen da leben würden, aber es ist niemand da. Es ist haarsträubend: Man kommt in eine Geisterstadt, alles ist so schön, und es gibt keine Menschenseele da.

Igor

Antonowitsch

Weiss

Ungefähr drei Wochen arbeitete ich als Bäcker. Wir backten also Brot. Unsere Gruppe war 24 Personen stark. Es war natürlich eine Mordsarbeit. Von zwei nachts bis zwei nachmittags. Tagtäglich, ohne Ruhetage! Es war Sommer und ziemlich heiß, man wohnte in Zelten. […] Die Zelten standen im Wald, genauer gesagt, auf einer Waldlichtung. Ich sah, dass die Stämme aller Bäume weiß waren! Es wurde doch gesagt, dass es dort alles wegen der Radioaktivität leuchte.

Wjatscheslaw

Wiktorowitsch

Kuprejtschenko

In Tschernobyl war ich vom 26. Oktober 1986 bis zum 20. Januar 1987. Ich verbrachte dort also 86 Tage. Ich arbeitete beim Bad- und Wäschereikombinat. Täglich arbeitete ich 14 bis 16 Stunden, von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr abends. Insgesamt waren es also 16 Stunden. Zuerst war ich als Heizer tätig, musste also Kochkessel in der Kantine beheizen. Von mir hing natürlich sehr viel ab. Habe ich den Kessel nicht gut genug beheizt, bleibt der ganze Personalbestand hungrig. Von der Kantine wurde ich ins Bad- und Wäschereikombinat umgesetzt, wo ich mich mit der Wäschereinigung befasste. Da niemand ohne Einsätze im Reaktor nach Hause entlassen wurde, ging ich regelmäßig in den Reaktor arbeiten. Es sah so aus: Ich arbeitete 12 Stunden im Bad- und Wäschereikombinat, hatte dann ein bisschen Zeit zum Ausruhen und zum Schlafen und ging in den Reaktor. Dort wurde ich für die Ausführung von allerlei Wirtschaftsarbeiten eingesetzt, musste bald etwas graben, bald etwas irgendwohin holen. Es waren verschiedene und vielfältige Arbeiten.

Wera

Andrejewna

Borowskaja

Ich werde das erzählen, was man im Grunde genommen schon weiß. Eine Frau erzählte mir, dass eine Frau in unsere Station kam, die schwanger war. Frauen, die 12 oder weniger Wochen schwanger waren, ließen ihre Kinder abtreiben. Nur selten wollten die Frauen auf die Abtreibung verzichten. Unter denen gab es eine, die […] aus der Zone kam. Sie sagte, sie hätte mit Drillingen gerechnet und die Kinder nicht abtreiben lassen. Aber da war ihr alles zusammengewachsen, so dass es zu einer Operation kam und es viele Probleme gab. Das ist das, was ich weiß, denn ich habe diese Frau mit meinen eigenen Augen gesehen.

Walerij

Ignatjewitsch

Biletzkij

Am Morgen des ersten Mai, als das ganze Land zu feiern anfing, waren wir schon unterwegs nach Tschernobyl. Ich bin der Meinung, dass die meisten Leute, und ich auch, das ganze Ausmaß der Tragödie nicht begriffen, die sich auf unser Land und auf die ganze Welt stürzte. Wir dachten, wir gehen zu einer Wehrübung, und freuten uns schon darauf, uns von unseren Betrieben, von unserer Arbeit zu erholen. Aber allmählich wurde uns das ganze Grauen bewusst. Niemand sagte uns die ganze Wahrheit. Nur wenige wissen sie auch heute, 26 Jahren nach der Tragödie. Die Wahrheit ist tabuiert.

Nikolaj

Mustaschanowitsch

Achmedow

Wir hatten hauptsächlich Brigaden, die nur aus Männern bestanden. Wir hatten einen Instandsetzungszug. Wir wurden bald mit leichten und kleinen Reparaturen beauftragt. Zu allen großen Reparaturen wurde der Instandsetzungszug gerufen. Die Kompanie war in Orane stationiert und wurde immer von dort geholt. Die Jungs hielt man für ein Todesbataillon. Sie arbeiteten gegen Geld. Sie schufteten deswegen hart, und – seien wir mal ehrlich – sie waren bereit, sich überall, wo es nur nötig war, hineinzudrängen.

Oleksandr

Ljudwigowitsch

Pilkewitsch

Unsere Gruppe war, glaube ich, 12 oder 15 Mann stark, eine genauere Zahl ist mir leider entfallen. Wir wurden an den Ort gebracht. Wir waren schon mit chemischer Abwehr ausgerüstet, hatten die Gasmasken an, sahen toll aus. Mitten in der Nacht wurden wir wachgerüttelt. „Ich bin Gruppenkommandant. Noch zwei Freiwillige gesucht,“ wurde uns gesagt. Wir gingen das Wasser vom Reaktor auspumpen. Ich konnte nicht Nein sagen. Die zwei Freiwilligen kamen aus meiner Gruppe, wir wohnten in einem Zelt. Wir kamen an den Ort mit einem Schützenpanzer. Wir stiegen daraus schon mit chemischer Abwehr ausgerüstet, hatten Gasmasken an. Inzwischen sahen wir eine Menge Leute herumlaufen, die nur Mullverbände an Gesichter pressten, von chemischer Abwehr war dabei überhaupt keine Rede… Wo ist diese Strahlung, wie sieht sie aus? Wahrscheinlich gib es die überhaupt nicht! Man führte uns in eine Vorhalle und ließ Plätze nehmen. Da kamen die Generäle, wir alle wurden in Gruppen je 4 bis 5 Personen eingeteilt und unter den Reaktor geschickt. Wir mussten in Kellern arbeiten. Es war Nacht, es war sehr dunkel. Man leuchtete uns mit Taschenlampen. […] Nach 10 Minuten Arbeit kam er mit dem Strahlungsmessgerät und holte ihn uns körpernah: „Für die reicht es. Nun geht’s in die Dusche.“ In meine Akte wurde eingetragen, ich sei mit guten 4 Röntgen bestrahlt worden …

Wladimir

Stepanowitsch

Denissenko

Niemand konnte sich natürlich das ganze Ausmaß der Havarie vorstellen, weil das einfach undenkbar war. Ich war dabei, als man am 23. Februar den ersten Sarkophag schloss. Damals gab es noch Emissionen. Wenn man sich dem Kraftwerk näherte, konnte man leichten Jodgeruch riechen. Am entsetzlichsten war die orangenfarbene Wolke, die man erst, wenn es schneite bemerken konnte. Sonst konnte man sie nicht sehen, manchmal hörte man, wenn es Emissionen gab. Wir hatten Schutzmittel. Am besten war das Mullläppchen (das sogenannte „Lepestok“). Im Winter reichte es für höchstens 20 Minuten, danach wurde es nass und musste ersetzt werden. Davon bekamen wir natürlich viele. Die Staubschutzmasken halfen nicht, der Rest auchnicht. Im Prinzip konnte man ungerupft davonkommen, wenn man sich an die Sicherheitsvorschriften hielt – aufs Rauchen verzichtete, sich nicht verpflegte, das Mullläppchen nicht abnahm… Manche vernachlässigten das, rauchten und wurden dann später mit allerlei Krankheiten wie zum Beispiel Magengeschwür konfrontiert …

Sergej

Nikolajewitsch

Tschubenko

Zum ersten Mal wurde ich mit der Katastrophe von Tschernobyl Ende Juni konfrontiert. Ich kam damals dienstlich nach Kyjiw und sah, dass… Na ja, zu der Zeit waren wir schon alle im Bilde – die führende Partei und der Generalsekretär Gorbatschow hatten schon mitgeteilt, eine Havarie sei in Tschernobyl passiert und es gäbe schon Opfer. Und ich sah also, dass Kyjiw vom Unfall betroffen war. Erstens fiel mir auf und haftete mir im Gedächtnis, dass der Sommer erst angefangen hatte und die Bäume schon fast alle ihre Blätter verloren hatten. Ich wohnte damals im Hotel „Dnjepr“. […] Wir sahen uns das alles an. Dazu verkehrten zahlreiche Dampfpinassen mit Wasserschläuchen den Dnjepr (Dnipro) entlang (ich nehme an, darauf waren die Pumpenanlagen eingerichtet) und wuschen vom Fluss aus die Uferpromenaden. Ich hatte damals den Eindruck bekommen, dass diese Strahlung wahrscheinlich eine ziemlich gefährliche Sache ist. Mir fiel gar nicht ein, dass ich in ein paar Monaten selbst in die „Teufels Küche“ gerate, in Reaktorblock 3 …

Wjera

Andrejanowna

Iwanowa

Ich war Parteimitlied. Meine Familie und die Gesellschaft hatten mir beigebracht, immer erst an mein Heimatland zu denken und dann – an mich selbst. Und so war es in der Tat. Am 15. Juni betraten wir das Unbekannte. Man musste bloß nach drüben gehen. Und es gab 6 Personen, die bereit waren, das zu tun. Man musste das Essen für die Menschen kochen. In der Tschernobyler Zone kochten wir für die Bauarbeiter, die Menschen, die Betonwerke bauten. Welche Eindrücke bekam ich damals? Den Reaktorblock sah ich überhaupt nicht, weil ich keine Zeit hatte. Wir sechs mussten gute 800 Personen versorgen. Es war sehr kompliziert, das können Sie mir glauben. Es gab nur einen Wunsch – sich ins Bett zu legen und zu schlafen. Mehr wollten wir vom Leben damals nicht. So anstrengend war es. Wenn wir jetzt ab und zu zusammenkommen, sagen mir die Jungs: „Hallo, Wera Adrejanowna!“ – „Hallo, Jungs!“ – „Erinnern Sie sich an uns?“ Und da sage ich: „Ich bitte um Entschuldigung, aber nein“. Die trugen alle damals Feldmützen und sahen in ihrer Uniform total gleich aus. Und da wir uns bei der Arbeit ständig beeilten, hatten wir keine Zeit, uns die Gesichter zu merken …

Andrej

Nikolajewitsch

Tschernucha

Ich verbrachte dort 4 Monate, vom 1. April 1987 bis zum 30. August desselben Jahres. Das Amt, das ich bekleidete, hieß stellvertretender Leiter für Maßnahmen zur Kontaminationsprohylaxe der 30-Kilometer-Zone. Das bedeutet, dass die ganze Verantwortung für den Brandschutz mir und meinen Kollegen, die mir untergeordnet waren und dort arbeiteten, auferlegt wurde. Alles fing morgens im Kraftwerk mit dem Postenaufzug an. Dann wurden die Objekte, die wiederaufgebaut wurden, untersucht. Ich war hauptsächlich beim Wiederaufbau von Kraftwerkblock 3 tätig, der bald in Betrieb gesetzt werden sollte, und befasste mich mit der Dekontamination, der Ingangsetzung von Geräten, den Reparaturen von Geräten, dem Neudecken des Daches, also mit ziemlich anstrengenden Arbeiten. Oder der Isolierung von Kraftwerkblock 4. Die Mauer, die Reaktorblöcke 3 und 4 ummanteln sollte. Der Bau von Schutzhüllenobjekten, die heute saniert und renoviert werden. Wir mussten tatsächlich jeden Tag solche Objekte überprüfen. Danach sprachen wir mit der Kraftwerkverwaltung, mit Vertretern von Baubetrieben, die sich dort betätigten. Soweit es nötig war, wurden Vorschriften zur Beseitigung von Mängeln erstellt. Es wurden allerlei Maßnahmen zur Vermeidung von Bränden und sonstigen Unfällen getroffen. Und im Grunde genommen schafften wir es: Zu Brandfällen kam es nicht.

Jakow

Jewgenjewitsch

Tscherednitschenko

Ich war Kommandant für KC-Aufklärung und Strahlungsüberwachung und verfügte über ein Zelt mit 40 Personen. Insbesondere in der Anfangszeit mussten wir fast jeden Tag „sogenannte Dekontamination“ von allem, was es nur dort gab, durchführen. Zuerst wurden die Räume von unseren Kollegen entsiegelt, dann kamen wir und wuschen gründlich die Wände, die Decken und die Fußböden (genau in dieser Reihenfolge). Wir wuschen mit normalem Wasser und mit Waschmitteln. Auch die Waschmittel waren ganz üblich. Während der Arbeit mussten wir Gummihandschuhe tragen, die aber Löcher hatten. Uns wurden kleine Mullläpchen (die „Lepestki“) gegeben. Keine Gasmasken, sondern Mullläppchen, die in etwa 5 bis 10 Minuten nass und hellrot wurden.Was heißt KC-Aufklärung??

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