Unsere Gruppe war, glaube ich, 12 oder 15 Mann stark, eine genauere Zahl ist mir leider entfallen. Wir wurden an den Ort gebracht. Wir waren schon mit chemischer Abwehr ausgerüstet, hatten die Gasmasken an, sahen toll aus. Mitten in der Nacht wurden wir wachgerüttelt. „Ich bin Gruppenkommandant. Noch zwei Freiwillige gesucht,“ wurde uns gesagt. Wir gingen das Wasser vom Reaktor auspumpen. Ich konnte nicht Nein sagen. Die zwei Freiwilligen kamen aus meiner Gruppe, wir wohnten in einem Zelt. Wir kamen an den Ort mit einem Schützenpanzer. Wir stiegen daraus schon mit chemischer Abwehr ausgerüstet, hatten Gasmasken an. Inzwischen sahen wir eine Menge Leute herumlaufen, die nur Mullverbände an Gesichter pressten, von chemischer Abwehr war dabei überhaupt keine Rede… Wo ist diese Strahlung, wie sieht sie aus? Wahrscheinlich gib es die überhaupt nicht! Man führte uns in eine Vorhalle und ließ Plätze nehmen. Da kamen die Generäle, wir alle wurden in Gruppen je 4 bis 5 Personen eingeteilt und unter den Reaktor geschickt. Wir mussten in Kellern arbeiten. Es war Nacht, es war sehr dunkel. Man leuchtete uns mit Taschenlampen. […] Nach 10 Minuten Arbeit kam er mit dem Strahlungsmessgerät und holte ihn uns körpernah: „Für die reicht es. Nun geht’s in die Dusche.“ In meine Akte wurde eingetragen, ich sei mit guten 4 Röntgen bestrahlt worden …

Ich war Kommandant für KC-Aufklärung und Strahlungsüberwachung und verfügte über ein Zelt mit 40 Personen. Insbesondere in der Anfangszeit mussten wir fast jeden Tag „sogenannte Dekontamination“ von allem, was es nur dort gab, durchführen. Zuerst wurden die Räume von unseren Kollegen entsiegelt, dann kamen wir und wuschen gründlich die Wände, die Decken und die Fußböden (genau in dieser Reihenfolge). Wir wuschen mit normalem Wasser und mit Waschmitteln. Auch die Waschmittel waren ganz üblich. Während der Arbeit mussten wir Gummihandschuhe tragen, die aber Löcher hatten. Uns wurden kleine Mullläpchen (die „Lepestki“) gegeben. Keine Gasmasken, sondern Mullläppchen, die in etwa 5 bis 10 Minuten nass und hellrot wurden.Was heißt KC-Aufklärung??

Nach drei Wochen eines solchen Lebens begreift man, welch ein Glück es ist, wenn man an einem Sommerabend von der Arbeit zurückkehrt, seine Stiefel auszieht, auf dem Gras sitzt und die Umgebung beobachtet und bewundert. In der Nähe floss ein kleiner Fluss. Und man fing an, so zu leben, als sei man ein Zombie, weil man erst um 7 oder 8 Uhr dorthin gelangte. Zuvor musste man bei der Verwaltung in GolubyjeOsjora vorbeischauen und von dort aus etwa 15 bis 20 Minuten zu Fuß zu unserem Truppenlager ziehen… Aus jener Zeit stammt bei mir ein einzigartiger bedingter Reflex: Wenn ich in einen Bus steige und meinen Kopf an die Fensterscheibe lehen, schlafe ich sofort ein... Schon 27 Jahre sind vergangen, aber ich schlafe in allen Verkehrsmitteln immer noch ein…

Auch ich fiel denen auf und wurde abgetrieben. Ich nahm nicht einmal meine Unterlagen mit. Als Berater für Hermetisierung [für den Bau des Sarkophages] musste ich für einen Tag nach Tschernobyl. Als ich vor Ort war, hatten sich schon Fachleute versammelt. Mir wurde gesagt: „Sie können unter dem Wasser ?kleben?, und hier muss man unter dem Regen arbeiten.“ Der Herbst hatte begonnen und man musste Arbeiten dringend ausführen. Hier kam aber keine Handarbeit, sondern ferngesteuerte Arbeit in Frage, verstehen Sie? Dafür wurden die Hebekräne „Demag“ eingesetzt, von denen es viele gab. Zwei davon waren in Betrieb, noch einer lag abgebaut. Es gab sehr viele Faktoren, die uns störten, richtige Entscheidungen zu treffen.

Dort wurde ein Reaktorabschaltungszyklus nach einem Schema ausgeführt. Da lief etwas schief. Die Anlage war doch durchaus idiotenfest, verstehen Sie? Man rief bei Moskauer Kollegen an, die sagten, sie sollten den Schutz abschalten, und die Sache ordnungsgemäß durchführen. Sie schalteten den Schutz ab, bis der Reaktor außer Rand und Band geriet. Das nenne ich also menschlicher Faktor: Nicht die Handlungen der Betreuungskräfte, genauer gesagt, der Mitarbeiter des Atomkraftwerkes, waren schuld, sondern die blöden Anweisungen, die aus Moskau kamen.